Eine Theorie der Nachhaltigkeit
von Dietmar Helmer, veröffentlicht am 2021-09-23
Nachhaltigkeit - Nachhaltige Marktwirtschaft – Nachhaltige Entwicklung
(sustainable development) - Eine Begriffserklärung
Nachhaltigkeit
Solange wir den Begriff der Nachhaltigkeit mit seinen Komponenten Ökologie, Ökonomie, Soziale Verantwortung, als Säulendiagramm darstellen, bleibt die Debatte "linear beschränkt". Lassen wir das Bild der "Verschränkung" zu, erkennen wir die Wechselbeziehungen dieser Komponenten.
„Nachhaltige Entwicklung“ ist um die Komponente "Recht" zu ergänzen. Es hat sich gezeigt, dass sich Wirtschaft, Ökologie, Soziales, ohne einen auf Nachhaltigkeit ausgerichteten Rechtsrahmen, nicht wirksam zur „Nachhaltigen Marktwirtschaft“ entfalten können. (Dietmar Helmer, 01.07.2020)
Der Begriff „Nachhaltige Marktwirtschaft“ wurde vereinzelt im ersten Jahrzehnt der 2000er Jahre verwendet, um wirtschaftliche, ökologische und soziale Zusammenhänge in einem Gesamtkontext zu beschreiben. Seit langem beschäftige ich mich mit dieser Form marktwirtschaftlichen Verhaltens und Anwendens. 2006/2007 habe ich erste Interpretationen einer Begriffserklärung auf meiner Webseite veröffentlicht.
Auszüge aus dem Text von Dietmar Helmer vom 23. Januar 2007
„Mit dem Begriff „Nachhaltige Marktwirtschaft“ wird auch der Marktteilnehmer Umwelt in das marktwirtschaftliche Geschehen eingebunden. Leider gibt es bis heute (Stand Januar 2007) in der wissenschaftlichen Diskussion noch keine Persönlichkeit, die Nachhaltige Marktwirtschaft zu erklären versucht. Themen wie Klimawandel, Nachhaltigkeit, Nachhaltige Entwicklung, lassen sich erst dann ernsthaft weiterentwickeln, wenn die bisherigen Marktteilnehmer bereit sind, anzuerkennen, dass
Umwelt einen Preis hat.“
Erst 2017, 10 Jahre nach meinem Artikel hat sich umfassend ein Wissenschaftler und Autor mit der Entwicklung und dem Verständnis für „Nachhaltige Marktwirtschaft“ und „Nachhaltigkeit“ beschäftigt. Ich danke Herrn Prof. Dr. Wolfgang Vieweg, dass er mit seiner umfassenden Analyse der Begriffe „Nachhaltigkeit“ und „Nachhaltige Marktwirtschaft“ einen großen Schritt bereitet, damit andere Autoren und Wissenschaftler sich endlich trauen, sich mit dieser zukunftsweisenden Form der Marktwirtschaft grundlegend auseinanderzusetzen.
Bereits 1987 hat die von der UNO eingesetzte „Brundtland-Kommission“ versucht,
Nachhaltigkeit zu erklären:
1. "Entwicklung zukunftsfähig zu machen, heißt, dass die gegenwärtige Generation ihre Bedürfnisse befriedigt, ohne die Fähigkeit der zukünftigen Generation zu gefährden, ihre eigenen Bedürfnisse befriedigen zu können".
2. "Eine zukunftsfähige Entwicklung ist ein Prozess der Veränderung, in dem die Nutzung der Ressourcen, die Struktur der Investitionen, die Orientierung des technischen Fortschrittes und die institutionellen Strukturen konsistent gemacht werden mit den zukünftigen und den gegenwärtigen Bedürfnissen."
Im Rahmen der UNO-Konferenz in RIO im Jahre 1992 wurde der Weg als "Nachhaltige Entwicklung" definiert. Es sollen die ökonomischen, sozialen und ökologischen Belange so miteinander verbunden werden, dass die heutigen Generationen nicht zum Nachteil der nachfolgenden Generationen handeln.
Die Deklaration von RIO ist wegweisend für diese Zusammenhänge.
Grundsatz 1: Die Menschen stehen im Mittelpunkt der Bemühungen um eine nachhaltige Entwicklung. Sie haben das Recht auf ein gesundes und produktives Leben im Einklang mit der Natur.
Das 3-Säulen-Modell der Nachhaltigkeit
(model of three columns oder three-columns model of sustainability - Dreisäulenmodell oder Dreisäulenkonzept)
Abstrakter Entwurf des von mir in diesem Aufsatz entwickelten "3-Säulen-Modells der Nachhaltigkeit" veröffentlicht am 23.09.2021. Weitere Entwürfe finden Sie am Ende dieses Aufsatzes.
Zitat aus dem Abschlussbericht der Enquete-Kommission „Schutz des Menschen und der Umwelt - Ziele und Rahmenbedingungen einer nachhaltig zukunftsverträglichen Entwicklung" Konzept Nachhaltigkeit - vom Leitbild zur Umsetzung (Drucksache 13/11200 für den Deutschen Bundestag am 26.06.1998)
2.2.1 Ökologische, ökonomische und soziale Ziele (Seite 18)
In Deutschland reift allmählich die Erkenntnis, dass mit dem Leitbild der nachhaltig zukunftsverträglichen Entwicklung wichtige Entwicklungslinien auch „jenseits der ökologischen Dimension" angesprochen werden. Aufgrund der komplexen Zusammenhänge zwischen den drei Dimensionen bzw. Sichtweisen von Ökologie, Ökonomie und Sozialem müssen sie integrativ behandelt werden. Dabei geht es - bildhaft gesprochen - nicht um die Zusammenführung dreier nebeneinander stehender Säulen, sondern um die Entwicklung einer dreidimensionalen Perspektive aus der Erfahrungswirklichkeit. Die Diskussion tendiert dahin, Nachhaltigkeitspolitik als Gesellschaftspolitik zu interpretieren, die im Prinzip und auf lange Sicht alle genannten Dimensionen gleichberechtigt und gleichwertig behandelt.
Weitere Begriffserklärungen und Darstellungen zum „3-Säulen-Modell der Nachhaltigkeit“ stehen im Lexikon der Nachhaltigkeit. Weitere Begriffserklärungen des Wortes „Nachhaltigkeit“ stehen im Lexikon der Nachhaltigkeit.
Es ist bis heute nicht gelungen, das Wort Nachhaltigkeit so zu definieren, dass es einer umfassenden, allgemeingültigen und von der Gesamtheit der Staaten, Völker, Wissenschaftler, Politiker, Unternehmer, Bürger (…*innen) anerkannten und akzeptierten Beschreibung standhält. Deshalb fällt es den Teilnehmenden auch so leicht, jederzeit für Nachhaltigkeit einzutreten, weil sich eben jede/r heraussuchen kann, was ihr/ihm gefällt.
Fragen wir uns, warum Gott uns die babylonische Sprachverwirrung beschert hat, wie sie im Alten Testament Genesis 11 beschrieben ist: … 6Und der Herr sprach: Siehe, es ist einerlei Volk und einerlei Sprache unter ihnen allen und dies ist der Anfang ihres Tuns; nun wird ihnen nichts mehr verwehrt werden können von allem, was sie sich vorgenommen haben zu tun. 7Wohlauf, lasst uns herniederfahren und dort ihre Sprache verwirren, dass keiner des andern Sprache verstehe! 8So zerstreute sie der Herr von dort über die ganze Erde, dass sie aufhören mussten, die Stadt zu bauen. …
Ist es nicht so, dass unsere Überheblichkeit als Menschen, unsere Arroganz und Eitelkeiten, dazu führten, dass wir „Sprach-“verwirrt sind. Wir gehen schlecht mit unserer Umwelt um, der Natur, selbst mit unseren Mitmenschen und vielleicht auch mit uns selbst.
Wäre es nicht besser, uns den Herausforderungen des Klimawandels als Weltgemeinschaft zu stellen, ohne uns „über alles andere Leben“ zu stellen, sondern „mit der Natur und Umwelt“ zu leben? Die Bibel hat uns - für ein gemeinsames Verstehen - im Neuen Testament bereits den Weg geebnet in der Apostelgeschichte 2:
… 6Als nun dieses Brausen geschah, kam die Menge zusammen und wurde verstört, denn ein jeder hörte sie in seiner eigenen Sprache reden. 7Sie entsetzten sich aber, verwunderten sich und sprachen: Siehe, sind nicht diese alle, die da reden, Galiläer? 8Wie hören wir sie denn ein jeder in seiner Muttersprache? 9Parther und Meder und Elamiter und die da wohnen in Mesopotamien, Judäa und Kappadozien, Pontus und der Provinz Asia, 10Phrygien und Pamphylien, Ägypten und der Gegend von Kyrene in Libyen und Römer, die bei uns wohnen, 11Juden und Proselyten, Kreter und Araber: Wir hören sie in unsern Sprachen die großen Taten Gottes verkünden. …
Wie sollen wir in einer globalisierten Welt den durch Menschenhand verursachten Klimawandel begrenzen auf 1,5 Grad (nach heutigem Stand eher unwahrscheinlich) oder 2 Grad (nach heutigem Stand noch möglich), wenn wir nicht die gleiche Sprache sprechen, weil wir uns nicht verstehen, weil jeder etwas anderes unter Nachhaltigkeit versteht?
Es ist erstaunlich, dass wir es bis heute nicht geschafft haben, eine einheitliche Beschreibung für Nachhaltigkeit zu finden. Dabei sind doch alle Zutaten bereits vorhanden.
DOI https://doi.org/10.1007/978-3-658-22986-3
© 2019 Nachhaltige Marktwirtschaft
Eine Erweiterung der Sozialen Marktwirtschaft
Prof. Dr. Wolfgang Vieweg ist Berater,
Lehrbeauftragter und Buchautor. (view affiliations)
• Book Title Nachhaltige Marktwirtschaft -
Eine Erweiterung der Sozialen Marktwirtschaft
• Copyright Information Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 Publisher Name Springer Gabler, Wiesbaden
• Softcover ISBN 978-3-658-22985-6
• eBook ISBN 978-3-658-22986-3
Zitat Seite 2: „Es gibt nichts Konservativeres als die Nachhaltigkeit, weil es um die Bewahrung der Schöpfung geht. Es gibt nichts Sozialeres als die Nachhaltigkeit, weil es dabei um die Lebensvoraussetzungen aller Menschen – heute und bis in alle Zukunft – geht. Und es gibt zudem nichts Progressiveres, weil es um die Sicherung einer menschwürdigen Fortexistenz der Spezies Mensch auf unserem endlichen Planeten geht. Nachhaltigkeit bietet für jeden politischen Ansatz etwas und ist umgekehrt aber auch auf jedwede politische Denkweise angewiesen. …“
Der Begriff Nachhaltigkeit wird von Professor Wolfgang Vieweg in seinem Buch ab Seite 25 mit unterschiedlichen Gebrauchsweisen beschrieben. Die als „Nachhaltigkeit I“ bezeichnete Definition, die von Carl von Carlowitz ab 1713 ähnlich erstmals verwendet wurde, entspricht auch der von der UNO und der Brundtland-Kommission verwendeten Form.
Ich verwende für die "Nachhaltigkeit I" den Begriff „Zeit-Nachhaltigkeit“.
Denn im Kern geht es bei dieser Definition um den Zeitverlauf. Dass Ressourcenverbrauch und Emissionen in einem Zeitraum so zu nutzen sind, dass sie sich wieder ausgleichen und nachfolgenden Generationen ein ebenfalls in „Freiheit und Wohlstand“ gefälliges Leben ermöglichen.
Es ist offensichtlich, dass der Mensch in kurzer Zeit durch die fossilen Brennstoffe Öl, Gas, Kohle gigantische Mengen CO2 (Kohlenstoffdioxid) in die Atmosphäre freisetzt, die zuvor Jahrmillionen gebraucht haben, um im Erdboden gebunden zu werden. Die Zeitdimension ist demnach in Schieflage.
Der von Vieweg beschriebene Begriff „Nachhaltigkeit II“ vertieft die drei Säulen, Aspekte oder Dimensionen der Nachhaltigkeit: wirtschaftliche, soziale und ökologische Nachhaltigkeit, wie er sich seit etwa 1992 nach der Rio-Konferenz 1992 durchgesetzt hat.
Ich verwende für die "Nachhaltigkeit II" den Begriff „Dimensionen-Nachhaltigkeit“.
Jeder kennt die Schaubilder des 3-Säulen-Modells, wonach das Dach die Nachhaltigkeit ist und die Säulen Wirtschaft, Ökologie und Soziales darstellen. Es gibt auch andere Darstellungsformen, wie das Venn-Diagramm in verschiedenen Kreisformen oder das (integrierende) „Nachhaltigkeits-Dreieck“, auch „Triangle of sustainability“ genannt. Daneben gibt es Pyramiden und Trichterformen.
Alle diese Darstellungsformen haben aber eine gemeinsame Schwäche. Sie stellen nicht das ganze Bild der „Dimensionen-Nachhaltigkeit“ dar. Bei den meisten Darstellungen fehlt entweder das Fundament oder das übergeordnete Ziel oder Prinzip. Vor allem fehlt aber wie ich meine,
die „Vierte Dimension“ der Nachhaltigkeit: Gesetzgebung, Rechtsprechung, Rechtsrahmen.
Viele Autoren verzweigen in andere Dimensionen wie Bildung, Kultur, Institutionen, Ernährung oder auch Ethik, etc., wobei diese letztlich nur Teilaspekte, untergeordnete Dimensionen, der drei Säulen der Nachhaltigkeit sind. Oder nehmen wir gar die Nachhaltigkeitsinterpretation der Vereinten Nationen mit ihren 17 Zielen für „Nachhaltige Entwicklung“ (2016; SDG = Sustainable Development Goals). Muss es uns wundern, dass wir durch diese „Vermassung“ von Nachhaltigkeiten überfordert werden und das Kernproblem des anthropogen verursachten Klimawandels wegen der Vernachlässigung der „Zeit-Nachhaltigkeit“ dabei immer weiter verwässert wird?
Der von Vieweg benutzte Begriff der „Nachhaltigkeit III“ kann an dieser Stelle vernachlässigt werden, da er nur darzustellen versucht, dass der Duden oder das „digitale Wörterbuch der deutschen Sprache-DWDS“ und andere Wortnachschlagewerke, aber auch Bürger, Politiker, Unternehmer und Wissenschaftler (…*innen) viele andere umgangssprachliche Begriffe für das Wort Nachhaltigkeit kennen, die aber aufgrund ihrer freien Interpretation wenig mit dem Nachhaltigkeitsbegriff für eine „Nachhaltige Marktwirtschaft“ zu tun haben.
Zudem beschreibt Vieweg auf Seite 37 in einer Synopse die Interpretation von anderen Autoren zu einer starken, ausgewogenen, schwachen Nachhaltigkeit. All diese Versuche der Spaltung und Rasterung des Begriffs Nachhaltigkeit führen zu einer Inhaltsleere, die in der weiterführenden Diskussion keinen erkennbaren Nutzen hat.
Der grundlegende Fehler bei der Interpretation der Nachhaltigkeit I und II, der "Zeit-Nachhaltigkeit" und "Dimensionen-Nachhaltigkeit"
Vieweg schreibt auf Seite 28: „Die zentrale Kritik an dem Säulenmodell und damit an der Nachhaltigkeit II ist der Umstand, dass letztere in keinem wirklich zwingenden Sachzusammenhang zur Nachhaltigkeit I steht. Ein solcher Zusammenhang wird mehr oder weniger nur behauptet. Natürlich kann die ökologisch bezogene Nachhaltigkeit I (Sicherung der natürlichen Lebensgrundlagen auch für zukünftige Generationen) nicht gegen, sondern nur im Einvernehmen mit der (globalisierten) Wirtschaft und den verschiedenen Gesellschaftsformen/Kulturen erreicht werden.“
Genau hier liegt meiner Meinung nach eine der grundlegenden Fehlinterpretationen der Nachhaltigkeit. Es wird nicht verstanden, dass es „neben“ den Raumdimensionen auch eine Zeitdimension gibt.
Die vier Dimensionen stehen aber nicht „neben“einander, sondern bedingen einander.
Wir leben in einer „Raum-Zeit-Dimension“ der Nachhaltigkeit.
Insoweit ist es nach meiner Einschätzung bereits eine fehlerhafte Annahme, dass es zwei Interpretationsmodelle der Nachhaltigkeit gibt. Die Nachhaltigkeit I oder „Zeit-Nachhaltigkeit“ und die Nachhaltigkeit II oder „Dimensionen-Nachhaltigkeit“. Das Wort „nach“ beinhaltet bereits die räumliche oder/und zeitliche Dimension, wobei diese nicht als lineare Richtung missverstanden werden darf. Das Wort „halten“ wird oft reduziert auf „festhalten“, bedeutet aber auch „bewahren“, „behüten“, „schützen“.
Die vier Dimensionen der Nachhaltigkeit - Eine Erweiterung des 3-Säulen-Modells der Nachhaltigkeit
In der folgenden Analyse konzentriere ich mich in meiner Theorie darauf, dass es nur eine Nachhaltigkeit gibt, die der „Dimensionen-Nachhaltigkeit“. Die Zeit steht unausgesprochen aber als notwendige Bedingung in allen Dimensionen. All unser Handeln ist nur in einem Zeitverlauf zu verstehen. Jedes ökonomische, ökologische und soziale Handeln oder Unterlassen bedingt immer einen Zeitverlauf. Was wir heute tun, wirkt sich auf die nachfolgenden Generationen und die künftige Flora, Fauna und das Klima aus.
Meine Kritik am 3-Säulen-Modell liegt darin, dass es ein unvollständiges Modell ist. Ich stelle folgende Fragen: Auf welchem Fundament stehen die Säulen? Wie stabil sind die Säulen selbst? Was ist die Grundlage oder der Zweck, um die Mittel, die Bausteine, die Möglichkeiten nachhaltig wirken zu lassen? Was ist das übergeordnete Prinzip, um nachhaltig zu wirken?
Im Laufe meiner jahrzehntelangen Erfahrung auch bei der Umsetzung von Bürgerprojekten im Rahmen der Energiewende habe ich eines gelernt:
Es reicht nicht aus, etwas zu wissen, etwas zu wollen, etwas zu können,
Mittel und Fähigkeiten zu haben. Man muss es auch tun dürfen.
Um Ökonomie, Ökologie und Soziales in ihrer nachhaltigen Wirkung entfalten zu können, braucht es Gesetzgebung, Rechtsprechung, Rechtsrahmen, welche die Intention (Absicht, Zweck, Ziel) und die Intension (Sinn, Kraft) des gesellschaftlich Gewollten an- und ausspricht.
Dies ist beispielhaft kürzlich durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 24.03.2021 zum Klimaschutzgesetz in der Fassung vom 12.12.2019 erfolgt (siehe hier).
Um Artikel 20a GG (Grundgesetz) endlich mit Leben zu füllen, hat es von 1994 bis 2021 gebraucht. Das Gericht hat die Wirkmechanismen des Artikel 20a GG mit den Prinzipien des Artikel 2 GG (Freiheitsrechte) verknüpft. Die besondere Bedeutung dieser Entscheidung ist die Verknüpfung mit der Zeitdimension. Denn auch die nachfolgenden Generationen sollen die Möglichkeit haben, eine lebenswerte Umwelt nutzen zu dürfen.
Weder steht in Art. 20a GG noch in Art. 2 GG ausdrücklich etwas von Zeit. Es hat lange gedauert, dass verstanden wurde, dass die Grundrechte im Grundgesetz selbstverständlich auf Dauer angelegt sind und für alle (Generationen) gleich sind. Es bedarf bei der Betrachtung der Nachhaltigkeit demnach nicht einer ausdrücklichen Erwähnung der Zeit. Nachhaltigkeit implementiert immer die Zeitdimension.
In der Betrachtung der drei Säulen Ökologie, Ökonomie, Soziales ist die „Zeit-Nachhaltigkeit“ als unbedingte und notwendige Voraussetzung bereits implementiert. Ökologisches Handeln (Klimawandel, Wetterphänomene, Ernährung, Wasser, Artenschutz etc.) ist gar nicht sinnvoll möglich, wenn wir den Zeitfaktor nicht berücksichtigen. Soziales (Fürsorge bei Krankheit, Pflege, Altersvorsorge etc.) sind ohne Zeitbezug nicht sinnvoll umsetzbar. Jeder Businessplan hat einen Zeithorizont (wirtschaftliche Entwicklung, Wachstum, Börse, Konsum, Technologie, Digitalisierung, Medizin etc.).
In fast allen Modellen wird die Nachhaltigkeit als Dach, als Mittelpunkt, als Ergebnis dargestellt. Nachhaltigkeit als Wort ist doch nicht als Selbstzweck ein Ergebnis von einer Handlung oder Unterlassung. Nachhaltigkeit kann nur verstanden werden, wenn es einen Bezug zu etwas hat. Ich treffe folgende Aussagen: „5 ist größer als!“ „Die Blume ist schöner als!“ Als wer oder was? Darum geht es. Nachhaltigkeit als Wort fehlt der Bezug zu …?
Wenn wir, wie es bereits von Carlowitz erkannt hatte, mehr Bäume abholzen, als nachwachsen können, dann sind wir nicht nachhaltig wirtschaftend unterwegs. Wir zerstören nicht nur die wirtschaftlichen Grundlagen nachfolgender Generationen, sondern auch die ökologischen (Wasserhaushalt, Regen, Bodenerosion, Artenvielfalt etc.) und später folgend die sozialen Grundlagen (Arbeitslosigkeit, Krankheiten etc.).
Wahrscheinlichkeiten und Verschränkung
Wir können den Begriff Nachhaltigkeit nicht ohne die inneren Zusammenhänge und Wechselwirkungen der drei Säulen bzw. nach meiner Theorie der vier Nachhaltigkeit-Dimensionen betrachten. Ich benutze dafür den Begriff der „Verschränkung“ (Im weiten Sinne von Zusammenwirken unterschiedlicher Teilsysteme, von denen man nicht unbedingt von vorne herein weiß, wie sich das andere Teilsystem verändert, wenn man das eine Teilsystem verändert. Die physikalische Beschreibung der „Quantenbeschränkung“ übertrage ich hierbei auf die Dimensionen-Nachhaltigkeit“).
Dies Prinzip kann uns nur Wahrscheinlichkeiten von Lösungen anbieten. Und damit haben sehr viele Menschen Schwierigkeiten. Denn wir wollen Sicherheit, Garantien, Gewissheit.
Leider oder Gott sei Dank ist das Leben vielschichtiger und gibt uns Raum für Chancen und Möglichkeiten. Wie öde wäre ein Leben, das von der Geburt bis zum Tod durchgeplant und garantiert ist?
Keine Phantasie, keine Träume. Bequem aber trostlos.
Das Säulenmodell „Nachhaltige Marktwirtschaft“
(The columns model of „sustainable market economy“)
Das Säulenmodell „Nachhaltige Marktwirtschaft“
(The columns model of „sustainable market economy“)
Warum haben die Schaubilder des 3-Säulen-Modells oft kein Fundament? Das Brandenburger Tor hat nicht nur drei Säulen, sondern 6 auf jeder Seite, die auch noch mit stabilen Zwischenmauern ergänzt sind, damit der Aufbau gehalten werden kann.
Der Dachaufbau ist in meinem Modell nicht die „Nachhaltigkeit“ sondern die „Gesetzgebung-Rechtsprechung-Rechtsrahmen“. Die drei Säulen stehen nicht einfach nebeneinander. Sie sind durch das Dach miteinander „verschränkt“, weil das Recht Wechselwirkungen auf jede der drei Säulen hat. Es ist ein „ausgewogener“ Zustand zu finden, der dem übergeordneten Prinzip „Nachhaltige Marktwirtschaft“ gerecht wird. Als Fundament dient das Prinzip „Nachhaltige Entwicklung“, das sich auf den Menschen, die Gesellschaft, das Gemeinwohl bezieht.
Bei einem Aufenthalt in Berlin im Jahr 2013 hatte ich ein Foto vom Brandenburger Tor gemacht. Ein Gebäude, das mit seinen auffälligen Säulen und seiner wechselvollen Geschichte meine Phantasie schon zu Zeiten der Teilung Deutschlands angeregt hat.
Es geht um Veränderung, Überwindung, Zukunft, Hoffnung.
Warum haben die Schaubilder des 3-Säulen-Modells oft kein Fundament? Das Brandenburger Tor hat nicht nur drei Säulen, sondern 6 auf jeder Seite, die auch noch mit stabilen Zwischenmauern ergänzt sind, damit der Aufbau gehalten werden kann.
Der Dachaufbau ist in meinem Modell nicht die „Nachhaltigkeit“ sondern die „Gesetzgebung-Rechtsprechung-Rechtsrahmen“. Die drei Säulen stehen nicht einfach nebeneinander. Sie sind durch das Dach miteinander „verschränkt“, weil das Recht Wechselwirkungen auf jede der drei Säulen hat. Es ist ein „ausgewogener“ Zustand zu finden, der dem übergeordneten Prinzip „Nachhaltige Marktwirtschaft“ gerecht wird. Als Fundament dient das Prinzip „Nachhaltige Entwicklung“, das sich auf den Menschen, die Gesellschaft, das Gemeinwohl bezieht.
Warum tun sich Politiker und Wissenschaftler bis heute so schwer, für das zukünftige Wirtschaften den Begriff „Nachhaltige Marktwirtschaft“ zu nennen?
In der Politik, Wirtschaft und Wissenschaft werden für das Phänomen einer die Umwelt einbeziehenden Marktwirtschaft diverse Begriffe verwendet. Vieweg listet diese Begriffe auf Seite 162 teilweise auf: „Ökologische Marktwirtschaft“, „Ökologische und soziale Marktwirtschaft“, „Soziale und ökologische Marktwirtschaft“, Öko-soziale Marktwirtschaft“, „Sozial-ökologische Marktwirtschaft“, „Humane Marktwirtschaft“, „Grüne Marktwirtschaft“.
Alle diese Begriffe halten an der Vorstellung fest, dass die in Deutschland vorherrschend geltende Wirtschaftsordnung die „soziale Marktwirtschaft“ hinreichende Bedingung für die Weiterentwicklung der Marktwirtschaft hin zu einer nachhaltigen Marktwirtschaft ist. Vielleicht ist dies abgeleitet aus der Tatsache der Formulierungen im Grundgesetz. Art. 20/1 GG: „Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.“ Art. 28/1 GG: „Die verfassungsmäßige Ordnung in den Ländern muss den Grundsätzen des republikanischen, demokratischen und sozialen Rechtsstaates im Sinne dieses Grundgesetzes entsprechen.“
Begriffe wie „Marktwirtschaft, Öko-, Umwelt, Klima“ kommen im Grundgesetz nicht vor. Grundsätzlich müssen diese Begriffe auch nicht extra benannt sein, da sie sich implizit indirekt aus den Grundrechten der Art. 1 bis 19 GG ergeben und als unbestimmte Rechtsbegriffe nicht mehr Anwendungsraum schaffen würden, wenn Sie grundrechtlich „abgesichert“ wären. Da ist mir der Weg über das Bundesverfassungsgericht sympathischer, das die Grundrechte und die Staatsprinzipen mit Leben füllt, soweit die Politik nicht in der Lage ist, diese über die Gesetzgebung selbst weiter zu entwickeln.
Das Grundgesetz prägt das Soziale in besonderer Weise in den Staatsprinzipen in den Art. 20, 28 und 79/3 GG. Art. 20a implementiert zudem die „natürlichen Lebensgrundlagen“.
Welches Wirtschaftsmodell in Deutschland gelebt wird, ist demnach glücklicherweise nicht abschließend bestimmt. Das Grundgesetz steht einer nachhaltigen Marktwirtschaft definitiv nicht im Weg, sondern kann diese sogar befördern, weil die Grundrechte und Art. 20a diese Grundlagen bereits beinhalten.
Die Begriffe sozial-ökologische oder ökologisch-soziale Marktwirtschaft beinhalten meines Erachtens auch eine ideologische Komponente, weil bewusst das Wort Ökonomie, welche die dritte Säule darstellt, weggelassen wird. Man kann natürlich argumentieren, dass Ökonomie bereits im Wort „Marktwirtschaft“ beinhaltet ist.
Hier liegt aber ein Irrtum der Verwendung des Wortes „Marktwirtschaft“ vor im Kontext zur „Ökonomie als Säule wirtschaftlichen Handelns“. Marktwirtschaft weist auf die Gesellschaftsordnung hin. Es sollen Märkte bestehen und entstehen und diese sollen in einem gesellschaftlich gewollten Kontext stehen. Es soll ein „Haushalt“ geführt werden. Dies kann im Falle der Bundesebene der Haushalt der Bundesrepublik Deutschland sein; oder die Haushalte der UNO, EU, Länder, Kommunen etc. Mit nachhaltiger Marktwirtschaft ist also eine weitergehende Ökonomie gemeint, wie die üblicherweise gemeinte „Wirtschaft“. Der Begriff der Ökonomie im Säulendiagramm hat demnach eine andere Bedeutung, wie der Begriff der Wirtschaft im Prinzip „Nachhaltige Marktwirtschaft“.
Diese Unterscheidung ist wichtig. Sie ermöglicht allen Ländern, ob Demokratie, Diktatur, Autokratie, Monarchie etc. das Prinzip der nachhaltigen Marktwirtschaft zu übernehmen. Die Art und Weise, wie Ökonomie im jeweiligen Land betrieben wird – freie Marktwirtschaft, soziale Marktwirtschaft, Planwirtschaft, Zentralverwaltungswirtschaft etc. – wird in der Säule abgebildet.
Insoweit sehe ich es anders, wenn nur von einer Weiterentwicklung der sozialen Marktwirtschaft gesprochen wird. „Nachhaltige Marktwirtschaft“ ist das übergeordnete Prinzip von Haushalt und Gesellschaftsordnung. Sie sagt zunächst nichts darüber aus, in welcher Gesellschaftsform und in welcher Art und Weise Wirtschaft betrieben wird. Marktwirtschaft ist das übergeordnete Prinzip und das muss nachhaltig im Sinne des in diesem Aufsatz beschriebenen Begriffs der „Nachhaltigkeit“ entwickelt und gelebt werden.
Wie wollen wir das Klima retten und den nachfolgenden Generationen eine in Freiheit und Zuversicht gestalteten Zukunft die Hoffnungen schenken, wenn wir nicht einmal in der Lage sind, eine umfassende und allgemeingültige Definition von Nachhaltigkeit zu formulieren? Ich habe über die Jahrzehnte den Eindruck gewonnen, dass sich die Verantwortlichen bisher wenig Mühe gemacht haben, sich bei diesem Wort zu einigen. Warum auch? Schuld sind sowieso immer die Anderen.
Ein Versuch einer allgemeingültigen Definition von Nachhaltigkeit
1) Die Menschheit ist in der Lage, die Entwicklung nachhaltig zu gestalten, um sicherzustellen, dass sie die Bedürfnisse der Gegenwart erfüllt, ohne die Fähigkeit künftiger Generationen zu gefährden, ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen.*
2) Dabei sind die Ressourcen so zu verwenden, dass sie klimafreundlich und umweltgerecht genutzt werden. Emissionen sind in dem Maße zu vermeiden, wie die Natur oder technologische Mittel nicht in der Lage sind, Schädigungen von Mensch, Tier, Umwelt und Klima zu vermeiden.
3) Im Begriff Nachhaltigkeit ist die Zeitdimension beinhaltet. Die Raumdimensionen Ökonomie, Ökologie, Soziales sind durch die Dimension „Gesetzgebung, Rechtsprechung, Rechtsrahmen“ zu erweitern.
4) Die Dimensionen Ökonomie, Ökologie, Soziales werden in Wechselbeziehungen zueinander beeinflusst. Hier können wir nicht umfassend sicherstellen, dass die Wirkungen unseres Handelns oder Unterlassens dem gewünschten Ziel oder der gewünschten Möglichkeit entsprechen. Erkennen wir, dass die Wirkung unerwünscht ist, haben wir im Sinne des ersten Satzes dieser Definition zu wirken.
5) Nachhaltigkeit bedeutet auch, dass wir unsere Energie für Strom, Wärme, Mobilität vorrangig aus erneuerbaren Ressourcen beziehen und alle anderen Ressourcen grundsätzlich Mehrfachverwendungen zugänglich machen.
6) Bei der Entsorgung von Ressourcen und Abfällen oder der Entstehung von unerwünschten Nebenprodukten haben wir dafür zu sorgen, dass diese weder die Menschen, die Tiere, die Pflanzen, die Natur, das Klima, die Luft, das Wasser oder die Erde schädigen.
(*Satz 1 ist ein Zitat aus dem Bericht der Brundtland-Kommission von 1987, Seite 16 Pos. 27, das ich immer noch uneingeschränkt für richtig halte. Original: „Humanity has the ability to make development sustainable to ensure that it meets the needs of the present without compromising the ability of future generations to meet their own needs.“)
Mit nachhaltigen und sonnigen Grüßen
von Dietmar Helmer, veröffentlicht am 2021-09-23
Welche Gesetzmäßigkeiten, können wir allgemeinverbindlich festlegen, um zu überprüfen, dass Nachhaltigkeit tatsächlich im Wortsinne angewandt wird? Hierfür stelle ich eine Idee vor, die ich die
Vier Gesetze der Nachhaltigkeit
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Drei-Säulen-Modelle - 3-Säulen-Modelle - Dreisäulenmodelle
Jedes dieser Modelle kann als Grundlage dienen, um daraus Konzepte zu entwickeln, die der Intention (Absicht, Zweck, Ziel) und der Intension (Sinn, Kraft) der Begriffe Nachhaltigkeit und "Nachhaltige Marktwirtschaft" entsprechen.
Auf diese Weise können alle Lebens-bereiche grundlegend analysiert werden. Die einzelnen "Säulen" werden in weiteren Schritten "fraktal" weiterentwickelt.