Nachhaltige Marktwirtschaft

Bürgerstrom

Batterien für Elektroautos: Faktencheck und Handlungsbedarf

Zur Umweltverträglichkeit von Elektroautos wird im Internet eine Menge geschrieben. Einiges davon ist wenig Fakten basiert und mehr von Meinungen und Empfindungen geprägt. Fiktion und Wahrheit sind dabei nicht weit auseinander. Das führt zu Unsicherheiten in der informationswilligen Bevölkerung.
Eine gute Analyse von 12 Einzelfragen (siehe unten 01-12) hat das FRAUNHOFER-INSTITUT FÜR SYSTEM- UND INNOVATIONSFORSCHUNG – ISI mit Stand Januar 2020-01 zusammengestellt. Deren Kernaussagen habe ich übernommen. Für die Details verweise ich auf den Faktencheck von ISI.

 

Überblick und Kernaussagen

Zitat Studie: Betrachtet man die zentralen Fragen entlang der gesamten Batterie-Wertschöpfungskette, so zeigt sich: Der breiten Marktdiffusion batterieelektrischer Pkw (E-Pkw), welche insbesondere im Zeitraum 2020-2030+ in der entscheidenden Hochlaufphase sein wird, steht nichts Unüberwindbares im Wege. Jedoch gilt es noch etliche technologische, ökonomische, ökologische, regulative und gesellschaftliche Herausforderungen im kommenden Jahrzehnt anzugehen. Im nachfolgenden Teil werden die wichtigsten Erkenntnisse zusammengefasst, in den späteren Einzelkapiteln folgt eine ausführliche Darstellung.

01 Ist die Umweltbilanz von E-Pkw besser als die bei konventionellen Pkw?

01 Die Umweltbilanz der Elektromobilität

 

Heute in Deutschland gekaufte E-Pkw weisen über ihre Nutzungsdauer eine deutlich positive Treibhausgasbilanz gegenüber konventionellen Pkw auf, wenn die Energiewende wie geplant voranschreitet. Eine energieeffiziente und auf erneuerbare Energiequellen fokussierte Batterieproduktion, mehr erneuerbarer Fahrstrom und ein geschlossener Res­sourcenkreislauf verbessern die Klima- und Umweltbilanz von E-Pkw weiter. Wie alle Pkw haben auch E-Pkw negative ökologische Auswirkungen, so dass eine Verkehrswende auch ein verändertes Mobilitätsverhalten (weniger und kleinere Fahrzeuge, weniger Fahrten) beinhalten muss. Mehr Info auf Seite 11 der Studie

Kommentar von Dietmar Helmer

Eine andere Meinung zur Umweltbilanz konventioneller und neuer Antriebe im Auto wird in der Studie „Ökobilanz von Pkws mit verschiedenen Antriebssystemen“ (Stand Oktober 2020) von Professor Dr. Thomas Koch vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Leiter des Instituts für Verbrennungskraftmaschinen (IFKM) im Auftrag des Verbands Deutscher Ingenieure (VDI) vertreten.

Ein Tenor der Studie: „Jeder der betrachteten Antriebe hat das Potenzial, signifikant zur CO2-Reduktion beizutragen. Hierzu brauchen alle Antriebe sowohl eine möglichst CO2-arme Produktion als auch einen Betrieb mit einem CO2-armen Energieträger. Die Effizienzsteigerung des Antriebs ist ein entscheidender Hebel bei allen Antriebssystemen, um mittelfristig die Mobilität klimaneutral zu realisieren. Dabei hat jeder der betrachteten Antriebe weitere Potenziale und Risiken. (Zitat VDI-Studie, Seite 28)

Zum "wissenschaftlichen" Vorgehen in der Studie vertreten die Autoren folgende Ansicht: Die Vielzahl der vorgestellten Eingangsgrößen macht deutlich, wie stark die einer Studie hinterlegten Annahmen und auch die Qualität der Eingangsgrößen das Ergebnis entscheiden. Damit sind Studien mit scheinbar abweichenden Aussagen oft nicht schlechter oder besser als andere Studien, es wurden nur ein anderer Untersuchungsrahmen, andere Randbedingungen oder andere Basisdaten der Betrachtung zugrunde gelegt. Keine Studie ist als finales Ergebnis zu betrachten, sondern wie oben dargestellt, Teil eines iterativen Prozesses. (Zitat aus der VDI-Studie "Ökobilanz von Pkws mit verschiedenen Antriebssystemen, Seite 9, Oktober 2020)

An dieser Stelle habe ich die Studie des VDI mit seinen "anderen" Parametern ausgewertet und mit Daten der Universität Eindhoven verglichen.

02 Welche Maßnahmen können die sozialen und ökologischen Auswirkun­gen verbessern?

Die Gewinnung von Rohstoffen und die Herstellung von technischen Komponenten sind unabhängig von der Antriebs­technologie mit ökologischen und sozialen Risiken behaftet, welche umso gravierender ausfallen, je schwächer die Gesetz­gebung und staatliche Institutionen in den jeweiligen Ländern sind. In der Wertschöpfungskette der E-Pkw stellen die Aus­wirkungen von Batterieproduktion und Ressourcengewinnung ökologische Schwerpunkte dar. Internationale Initiativen zur unternehmerischen Sorgfaltspflicht, inklusive ihrer gesetzlichen Verankerung, sind sinnvolle Ansatzpunkte. Verbesserte Bedingungen lassen sich durch Unterstützung und Kontrolle und nicht durch eine Verlagerung der Produktion erreichen. Mehr Info auf Seite 12 der Studie

03 Reichen die Rohstoffe global aus?

Benötigte Batterierohstoffe wie Lithium, Kobalt, Nickel, Man­gan und Graphit sind global gesehen ausreichend vorhan­den. Durch die Entwicklung hin zu Kobalt-reduzierten und Nickel-reichen Hochenergie-Batterien wird sich die Rohstoff­situation für Kobalt weiter entschärfen. Bei Lithium dürfte sie unkritisch bleiben, bei Nickel existieren noch Unsicherheiten. Für einzelne Rohstoffe sind temporäre Verknappungen bzw. Lieferengpässe oder Preissteigerungen kurz- / mittelfristig nicht auszuschließen. Für Lithium werden ausgereifte Recy­clingverfahren im industriellen Maßstab künftig wichtiger. Mehr Info auf Seite 13 der Studie

04 Welche Faktoren sind für eine wettbe­werbsfähige Zellfertigung wichtig?

Der Zugriff auf kostengünstige Batterierohstoffe und -komponenten wird auch künftig für den Wettbewerb entscheidend sein. Zudem müssen Kosten sinken, etwa bei Anlagen und Lohnkosten – was mit Skaleneffekten zu erreichen ist – sowie durch eine energieeffiziente und automatisierte Produktion (zum Beispiel intelligente Steue­rung). Produktionserfahrung in der Skala ist ein klarer Vorteil asiatischer Hersteller, die ein europäischer bzw. deutscher Produzent durch Lerneffekte und zwischenzeitliche Mehr­kosten ausgleichen müsste. Wettbewerbsentscheidende Alleinstellungsmerkmale könnten künftig durch höhere Energiedichten, Schnellladefähigkeit, geringere Kosten und eine nachhaltige Produktion (zum Beispiel Einsatz von Erneu­erbaren Energien bei der Produktion) geschaffen werden. Mehr Info auf Seite 14 der Studie

05 Führt der Ausbau der Elektromobilität zu Arbeitsplatzverlusten?

Trotz unterschiedlicher Beurteilungen der Beschäftigungs­effekte in der Automobil- und Zulieferindustrie wird in Deutschland überwiegend ein nennenswerter Beschäfti­gungsrückgang erwartet. Die Batteriezellproduktion selbst ist hochautomatisiert, weshalb die Arbeitsplatzeffekte limitiert sind. In Bezug auf die vor- und nachgelagerten Wertschöpfungsketten sind die sich daraus ergebenden Arbeitsplatzeffekte jedoch relevant. In anderen Bereichen wie der Stromerzeugung oder dem Aufbau der Ladeinfrastruktur dürfte es zudem positive Arbeitsplatzeffekte geben. Vom Strukturwandel betroffene Regionen und Unternehmen, die im Kontext des verbrennungsmotorischen Antriebs­strangs aktiv sind, müssen ein nachhaltiges Geschäfts- und Beschäftigungsmodell entwickeln. Gegebenenfalls müs­sen sie dabei durch aktive industrie- und arbeitsmarkt­politische Maßnahmen unterstützt werden, damit – im Verbund mit natürlicher Altersfluktuation – der Struktur­wandel sozialpolitisch verträglich gestaltet werden kann.
Mehr Info auf Seite 15 der Studie

06 Gibt es Lieferengpässe entlang der Wertschöpfungskette?

Entlang der Wertschöpfungskette bestehen auch heute noch vereinzelt temporäre Lieferengpässe, denen unter­schiedliche Ursachen zugrunde liegen können. Beispiele hierfür finden sich bei Batterie-Rohstoffen und der Zellpro­duktion sowie bei der Produktion und Auslieferung von E-Pkw. Die Unternehmen sind sich dessen bewusst und begegnen diesem Risiko zum Beispiel durch Diversifikation der Lieferanten, strategische Industriekooperationen ent­lang der Wertschöpfungskette, Forschungskooperationen, Joint Ventures und Eigenfertigung.Diese Bemühungen werden von der Politik unterstützt und das koordinierte Vorgehen hierbei sollte in Zukunft beibehalten werden, um Lieferabhängigkeiten der Industrie zu reduzieren. Mehr Info auf Seite 16 der Studie

07 Wie entwickeln sich Batterien und welche Reichweiten sind zu erwarten?

In den letzten zehn Jahren hat sich die Energiedichte großfor­matiger, in E-Pkw eingesetzter LIB-Batteriezellen fast verdop­pelt auf heute durchschnittlich 200 Wh / kg bzw. 400 Wh / l. Bis 2030 könnte die (insbesondere volumetrische) Energie­dichte nochmals maximal verdoppelt werden, sofern die da­mit einhergehenden großen FuE Herausforderungen erfolg­reich umgesetzt werden. Andere Batterieparameter müssen dabei weiterhin die anwendungsspezifischen Mindestanfor­derungen erfüllen. Für E-Pkw werden sich damit deren Reichwei­te und die Akzeptanz der Nutzer vergrößern. Um diese Ver­dopplung aber bis auf Batteriesystemebene umzusetzen und reale Reichweiten der meisten E-Pkw Modelle jenseits von 600 Kilometern zu erreichen, sind zudem raum- und gewicht­einsparende Innovationen in der Modul- / Packherstellung und Fahrzeugintegration nötig. Auch sind weitere Strategien zum verringerten Energieverbrauch von E-Pkw (zum Beispiel Isolation und Verringerung des Heizaufwands und Energie­verbrauchs durch Elektronik, Leichtbau etc.) erforderlich. Mehr Info auf Seite 17der Studie

08 Wie entwickelt sich die Ladeinfra­struktur?

Für das Laden von E-Pkw ist heute und in Zukunft vor allem Ladeinfrastruktur zu Hause oder am Arbeitsplatz wichtig. Für den heutigen Bedarf ist das öffentliche Schnellladenetz bereits gut ausgebaut, muss aber künftig erweitert werden. Eine finanzielle Förderung privater Ladeinfrastruktur sollte mit ei­ner verpflichtenden Teilnahme zum Lademanagement verbun­den werden, um Verteilnetz-Ausbaukosten zu vermeiden und die Integration Erneuerbarer Energien zu unterstützen. Hand­lungsbedarf besteht bei Nutzern ohne private Lademöglichkeit sowie bei gesetzlichen Maßnahmen zum Ausbau der Ladeinfrastruktur in Mietshäusern und Wohneigentümer-Gemein­schaften. Der derzeit sehr dynamische Aufbau von Schnelllade-Infrastruktur dürfte den Bedarf an Schnellladeleistung in der kommenden Dekade decken. Die aktuellen Entwicklungen hin zu Ladeleistungen bis 100 kW für Mittelklasse-Pkw und deutlich darüber hinaus für Oberklasse-Pkw bis zu 350 kW reduzieren die künftigen Ladezeiten für E-Pkw deutlich.
Mehr Info auf Seite 18 der Studie

09 Sind E-Fahrzeuge wirtschaftlich?

In der Anschaffung sind E-Fahrzeuge heute ohne Förde­rung noch teurer als konventionelle Fahrzeuge. Allerdings haben sich die Anschaffungskosten aufgrund sinkender Batteriepreise in den letzten Jahren stark reduziert. Die­ser Trend dürfte sich fortsetzen und bis etwa 2025 könn­ten die Anschaffungspreise auf einem ähnlichen Niveau liegen. Aufgrund geringerer Nutzungskosten schneiden E-Fahrzeuge teilweise schon heute bei den Gesamtkosten (Total Cost of Ownership, TCO) besser ab. Zudem helfen Kaufprämien, die Kostendifferenz bei der Anschaffung zu reduzieren. Bei den Wiederverkaufswerten existieren noch Unsicherheiten. Die Vorteilhaftigkeit bei den TCO sollte dem Endkunden verdeutlicht werden, da heute bei Kaufentschei­dungen oft der Anschaffungspreis im Vordergrund steht. Mehr Info auf Seite 19 der Studie

10 Reicht die Strommenge und sind die Stromnetze für die E-Mobilität gerüstet?

Die verfügbaren Strommengen in Deutschland reichen in den nächsten Jahren für E-Fahrzeuge aus und sind für den Aus­bau der E-Mobilität kein Hindernis. Die Stromnetze müssen nur partiell für E-Fahrzeuge ausgebaut werden, da sich das Laden von E-Fahrzeugen oft zeitlich entzerrt. Lademanage­ment vermindert weiterhin einen Netzausbau und sollte deshalb gefördert werden. Der Ausbau der Netze finanziert sich über die bestehenden Netznutzungsentgelte für Strom. Mehr Info auf Seite 20 der Studie

11 Welche Rolle spielt die Zweitnutzung von Fahrzeugbatterien?

Konzepte zur Zweitnutzung von Traktionsbatterien be­finden sich momentan in der Erprobung und könnten ab circa 2030 relevant werden – wenn mit einem nen­nenswerten Rücklauf ausgedienter Fahrzeugbatterien zu rechnen ist. Heute ist noch nicht absehbar, welcher An­teil dieser gebrauchten Batterien sich noch als stationäre Speichersysteme oder in anderen Anwendungen nutzen lassen wird. Für tragfähige Geschäftsmodelle müssten Second-Life-Batterien zu entsprechend niedrigen Kosten und mit noch ausreichender Restperformance vorhanden und neu integrierbar sein. Fragen der Standardisierung und Gewährleistung (zum Beispiel durch entsprechende Betreiber- und Besitzermodelle) müssen in einem wirtschaft­lichen Geschäftsmodell berücksichtigt werden. Ob sich dies umsetzen lässt wird heute noch kontrovers diskutiert und erfordert weitere techno-ökonomische Forschung. Mehr Info auf Seite 21 der Studie

12 Was passiert mit den Altbatterien?

Das Recycling von Fahrzeugbatterien gilt mittlerweile als technisch machbar und wird industriell in Pilotanlagen umgesetzt. Die Forschungsarbeit hin zu wirtschaftlichen sowie energie- und materialeffizienten Recyclingprozessen ist jedoch vor dem Hintergrund der sich ändernden Zellchemien nicht abgeschlossen. Die aktuelle Gesetzeslage zum Batterierecycling wird dem für die nächsten Jahre erwarteten deutlichen Anstieg im Altbatterieaufkommen in Europa nicht gerecht und wird daher derzeit überarbeitet. Mehr Info auf Seite 22 der Studie

Elektromobilität Faktencheck - ISI - PDF